Krieg & Frieden
DISKURSDer Krieg - ein Stich, der mich erstarren lässt
Der Politologe Vedran Dzihic ist 1993 vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. Er hatte sich mit „seinem Krieg“ versöhnt. Doch als die ersten Raketen über die Ukraine flogen, kam alles wieder zurück. Über das Gute in schrecklichen Zeiten.
Der Politologe Vedran Dzihic ist 1993 vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. Er hatte sich mit „seinem Krieg“ versöhnt. Doch als die ersten Raketen über die Ukraine flogen, kam alles wieder zurück. Über das Gute in schrecklichen Zeiten.
Von allen Menschendingen ist der Krieg wohl jenes, das den Glauben an die Menschheit und das Menschsein am stärksten erschüttert. Der Krieg bricht unvermittelt ins Leben ein, stellt es auf den Kopf und lässt sich nie wieder abschütteln. Krieg ist ein Elementarereignis schlechthin.
Abraham Lincoln fragte sich nach vielen Jahren des Gemetzels im amerikanischen Sezessionskrieg immer wieder, wie man in den Strudel der Gewalt hineingezogen wird und wie furchtbar und vernichtend er ist. 1863, inmitten des Krieges, schrieb er „Das Blut beginnt zu kochen, und das Blut wird vergossen. Das Vertrauen stirbt, universelles Misstrauen herrscht. Jeder Mann spürt den Impuls, seinen Nachbarn zu töten, um nicht von diesem getötet zu werden. Rache und Vergeltung folgen.“
Der passive Zeuge
Als am 24. Februar 2022 Russland den Aggressionskrieg gegen die Ukraine begann, kehrte Krieg schlagartig in die Welt zurück und vor allem ins Bewusstsein aller Europäer und Europäerinnen, die lange Zeit den Krieg als einen absoluten Ausnahmezustand betrachteten. Nie wieder – wiederholte man nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust – nie wieder Krieg. Nun war er wieder da, inmitten der sicher geglaubten Gegenwart, in der Friede, Freiheit und Demokratie von vielen als selbstverständlich und nahezu naturgesetzt betrachtet wurden.
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