Sturz des Enver-Hoxha-Denkmals in Tirana (Hauptstadt Albaniens) im März 1991 - © Foto: Getty Images / Sovfoto / Kontributor

Albanien-Experte: „Antiklerikaler Touch allerorts“

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Die Verschmelzung von nationalistischen und marxistischen Elementen wurde von Albaniens Hoxha-Diktatur auf die Spitze getrieben, sagt Südosteuropakenner Konrad Clewing. Über ein Land, das sich als ersten atheistischen Staat der Welt begreift und gen Moderne strebt.

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Die Verschmelzung von nationalistischen und marxistischen Elementen wurde von Albaniens Hoxha-Diktatur auf die Spitze getrieben, sagt Südosteuropakenner Konrad Clewing. Über ein Land, das sich als ersten atheistischen Staat der Welt begreift und gen Moderne strebt.

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Albanien will in die EU und ringt weiterhin mit seiner grausamen kommunistischen Vergangenheit. Südosteuropakenner Konrad Clewing spricht im Interview über eines der brutalsten Regime der Welt, weshalb man sich in Albanien trotzdem (oder gerade deshalb?) über die eigene Vergangenheit ausschweigt und inwiefern die Aufarbeitung der Vergangenheit wird die Zukunft prägen müssen.

DIE FURCHE: In der öffentlichen (Polit)-Debatte wird der Staat Albanien häufig mit dem gesamten ex-jugoslawischen Raum zusammen gedacht und eher undifferenziert beleuchtet. Wird man damit dem Land gerecht?

Konrad Clewing: Das „Zusammendenken“ mit dem früher jugoslawischen Bereich, hat in erster Linie mit Unwissen zu tun. Das Albanische ist beispielsweise eine vollkommen andere Sprache und stellt in sich selbst eine ganz eigene Sprachfamilie des Indogermanischen dar. Überdies hat es mit seiner antiken Vorgeschichte eine viel ältere Präsenz auf dem Balkan als die slawischen Sprachen. Auch historisch hat Albanien eigentlich keinen näheren Bezug zum ex-jugoslawischen Raum, außer dass es gemeinsam mit dessen Süden früher auch einmal osmanisch war. Heute wird aber in der Tat die gesamte Region oft als einheitlich betrachtet und das hat seine zentrale Wurzel in der Westbalkan-Politik der EU. Die jeweiligen Entscheidungsträger scheinen nicht genau zu wissen, was sie mit den dort noch nicht beigetretenen Staaten machen sollen, und begreifen sie von diesem Problem hergedacht als homogene Region.

DIE FURCHE: Woher kommt dieses Unwissen in Mitteleuropa über Albanien?

Clewing: Zum einen hat die Isolation zur kommunistischen Zeit natürlich Kontakte verhindert und abgebrochen. Man wusste auch deshalb lange wenig von Albanien, weil zum Beispiel kaum jemand dort hinfahren konnte. Die Einreisekontingente wurden klein gehalten, und bis zuletzt gab es auch konkrete Ablehnungsgründe für unliebsame Personen. Ich beispielsweise habe 1987 angefangen, Albanisch zu lernen, und konnte erst 1993 zum ersten Mal ins Land. Bis 1991 war mir die Einreise verwehrt worden, weil ich beim „falschen“ Professor Albanisch gelernt hatte. Die genehmigten Kontakte wurden vom Regime möglichst auf solche Personen beschränkt, die das Regime als ideologisch nahestehend empfunden hat.

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