ORF - © Foto: APA / Harald Schneider

ORF-Gesetz: Kommt die Kickl-Reform?

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Das Höchstgericht hob vergangenen Herbst Teile des ORF-Gesetzes auf. Für eine Reparatur in dieser Legislaturperiode bleibt freilich kaum mehr Zeit. Eine Analyse.

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Das Höchstgericht hob vergangenen Herbst Teile des ORF-Gesetzes auf. Für eine Reparatur in dieser Legislaturperiode bleibt freilich kaum mehr Zeit. Eine Analyse.

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E s ist keine fundmentale Reform, die der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Sachen ORF-Gesetz verlangt. Zwar hob das Gericht bereits im Oktober 2023 Teile des ORF-Gesetzes auf, aber es sind eher kleinere Teile – und eine Sanierung wäre als Minimalvariante an sich schnell erledigt. Wenn man sich denn in der Regierung einig wäre.

Tatsächlich aber wird es immer unwahrscheinlicher, dass die Regierenden noch in dieser Legislaturperiode wirklich zur Tat schreiten. Zumindest dürfte man es in Sachen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner nicht eilig haben, wie Recherchen der FURCHE ergaben. Das mag verwundern, denn Anfang Juli ist die letzte Sitzung des Nationalrates vor der Sommerpause, und nach dieser sind bekanntlich Nationalratswahlen. Will man die Novelle des ORF-Gesetzes also noch auf den Weg bringen, wäre also Eile geboten. Eine normal lange Begutachtungsfrist von sechs oder acht Wochen geht sich davor schon jetzt nicht mehr aus. Und eine verkürzte Frist ist gerade bei einem umstrittenen Thema wie dem ORF eher unschön, wie selbst Regierungsinsider einräumen.

ORF-Stiftungsrat zu regierungsnah

Doch von einem Beschluss kann ohnehin noch keine Rede sein, denn es fehlt ein Gesetzesentwurf. Einen solchen gibt es, dem Vernehmen nach, in Grundzügen zwar schon länger, aber entscheidende Details sind weiterhin offen. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, wer die Gremien des ORF, Stiftungsrat und Publikumsrat, künftig besetzen kann. Vor allem der ORF-Stiftungsrat ist ein machtvolles Instrument – wählt er doch die ORF-Führung, beschließt Finanz- und Sendepläne und bestellt Geschäftsführer.

Die Zusammensetzung des Stiftungsrates war dem VfGH zu regierungsnah. Die Verfassungsrichter wollen, dass der Bundeskanzler weniger Mandatare und der Publikumsrat (und somit ihn konstituierende Organisationen) künftig mehr Mandatare im Stiftungsrat ernennen dürfen. Derzeit bestellen die Bundesländer neun, die Bundesregierung ebenso neun, Parteien und Publikumsrat je sechs und der Betriebsrat fünf Mandatare im Stiftungsrat.

Weniger Einfluss des Bundeskanzlers im ORF

Ganz konkret geht es den Richtern um drei der 35 Mandate im ORF-Stiftungsrat: Künftig sollen mindestens drei weniger durch die Bundesregierung, dafür drei mehr durch den Publikumsrat entsandt werden. Auch bei der Besetzung des Publikumsrats selbst soll der Einfluss des Bundeskanzlers schwinden und mehr Mandatare von demokratisch legitimierten Organisationen besetzt werden. Welche das konkret sein sollen, ist noch offen. Anzunehmen ist, dass ÖVP und Grüne da wohl unterschiedliche Ansichten haben. Auch sollen Stiftungsräte ihr Mandat bei Neuwahlen nicht verlieren, sondern die volle Periode bleiben.

Sollte doch noch ein neues Gesetz vor der Wahl Ende September zustande kommen, stellt sich auch die Frage, wann es in Kraft treten soll. Ist das noch vor der Wahl der Fall, könnten Kanzler und Regierung neue Mandatarinnen und Mandatare ernennen, die dann bis weit in die neuen Legislaturperiode im Amt bleiben, auch wenn längst eine andere Regierung am Werk ist. Die da wohl unvermeidliche öffentliche Debatte würde man sich im kommenden Wahlkampf gerne sparen, heißt es bei Personen mit Einblick in die Materie. Zumal die FPÖ ohnehin offensichtlich vor hat, im Wahlkampf voll auf das Thema ORF und die ungeliebte Haushaltsabgabe zu setzen. Erst Donnerstagabend sind etwa die ORF-Gagen auf Betreiben der FPÖ Thema im Nationalrat. Da wäre ein ORF-Gesetz, das den Einfluss von ÖVP und Grünen im ORF zementiert, sicher ein gefundenes Fressen.

Beschwerde vom Presseclub

Angesichts dessen könnte es manche in der ÖVP reizen, die Frist, die der VfGH zur Reparatur gesetzt hat, voll auszureizen. Sie endet Ende März 2025. Eine Reform des Gesetzes würde dann in den Aufgabenbereich einer neuen Bundesregierung fallen, wie auch immer diese aussieht. Gut möglich, dass eine der ersten Aufgaben einer Regierung unter Herbert Kickl dann ausgerechnet die Reform des ORF ist.

Man darf für diesen Fall wohl annehmen, dass dann im ORF mehr reformiert werden würde als ein paar Sitze im Stiftungsrat. Zumal die FPÖ weite Teile des ORF und vor allem seine Finanzierung durch die Haushaltsabgabe für verzichtbar hält. Interessant wird es, wenn demnächst eine weitere Verfassungsbeschwerde verhandelt wird, die der Presseclub Concordia Ende April eingebracht hat. Es ging um eine Popularbeschwerde bei der Medienbehörde aufgrund einer vermuteten rechtswidrigen Besetzung des ORF-Publikumsrates.

Die Medienbehörde erklärte sich aber für nicht zuständig, ein Gericht wies die Beschwerde ab. Der Presseclub ortet somit eine mangelnde Rechtsaufsicht über den Bestellprozess bei den ORF-Gremien. Man wird sehen, wie die Verfassungsrichterinnen und -richter das sehen. Gut möglich also, dass ein soeben novelliertes ORF-Gesetz dann auch schon wieder obsolet ist.

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