Bruno Kreisky Peter Lingens.jpg - Eines der ersten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Österreich hat der Journalist Peter Michael Lingens erstritten. Er war in Österreich verurteilt worden, weil er dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky für seinen Umgang mit der FPÖ Opportunismus vorgeworfen hatte. - © Foto: Gerhard Sokol, Gerhard Sokol / KURIER / picturedesk.com, Votava / brandstaetter images / picturedesk.com

70 Jahre Menschenrechtsgerichtshof: Übernationale Urteilskraft

19451960198020002020

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird 70 Jahre alt - und hat so manches entschieden, etwa auch den legendären Fall Lingens gegen Österreich. Doch heute gibt es wenig zu feiern, bilanziert der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes.

19451960198020002020

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird 70 Jahre alt - und hat so manches entschieden, etwa auch den legendären Fall Lingens gegen Österreich. Doch heute gibt es wenig zu feiern, bilanziert der Präsident des österreichischen Verfassungsgerichtshofes.

Werbung
Werbung
Werbung

Knapp fünf Jahre nach der Entstehung des Europarates trat die europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Kraft. Mit ihr wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingerichtet. Auch er feiert in diesem Jahr somit einen runden – nämlich seinen 70. Geburtstag. Die EMRK ist in kürzester Zeit zum wichtigsten internationalen Menschenrechtsinstrument geworden und ist es bis heute geblieben. Sie prägt die Grundrechtsentwicklung in den allermeisten Mitgliedstaaten des Europarates, angetrieben von einer aktiven und auf Rechtsfortbildung angelegten Rechtsprechung des EGMR. Zusatzprotokolle zur Abschaffung der Todesstrafe, zu weiteren Justizgarantien und mit besonderen Gleichbehandlungsgeboten haben den Grundrechtsbestand im Lauf der Zeit verdichtet.

Drei Zäsuren gilt es zu beleuchten

Österreich trat der EMRK 1958 bei, kurz nach dem Staatsvertrag und fünf Jahre nach Inkrafttreten der EMRK. Für Österreich hat die EMRK deshalb besondere Bedeutung, weil sie 1964 in den Verfassungsrang gehoben wurde und weil man sich bei der Ausarbeitung und Beschlussfassung der Bundesverfassung im Jahr 1920 entschieden hatte, die Grundrechte aus der Dezemberverfassung 1867 zu übernehmen.

Stellt man sich die Grundrechte als Landschaft vor, so wäre die EMRK das Zentralmassiv dieser Landschaft. Von ihr gehen bis heute wesentliche Impulse beim Schutz individueller Rechte aus, sei es bei neuen Bedrohungen in Zeiten einer Pandemie, im Datenschutz, beim Schutz des Lebens, in der Meinungsfreiheit, beim Klimaschutz oder im Asyl- und Fremdenrecht. Vergessen wir nicht, dass eines der ersten Urteile gegen Österreich der Journalist Peter Michael Lingens erstritten hat, der in Österreich dafür verurteilt wurde, weil er dem damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky für seinen Umgang mit der FPÖ Opportunismus vorgeworfen hatte. Auch mit dem Fall des Rundfunkmonopols, mit der Stärkung der Waffengleichheit im Strafverfahren oder mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die EMRK auf das Engste verknüpft.

Drei Zäsuren haben die ersten 70 Jahre der EMRK bestimmt.

  • Die erste Zäsur war der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989. Er brachte binnen weniger Jahre eine Verdopplung der Mitgliedstaaten nicht nur des Europarates, sondern auch der EMRK. Über 20 neue Rechtsordnungen, zwei Dutzend neue Richter, neue Menschenrechtsfragen im Zusammenhang mit der Bewältigung von Diktaturen kamen hinzu.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung