mozaik - © Illustration: Rainer Messerklinger

Sprachgauner

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FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic ist in Sarajevo geboren und in Kärnten aufgewachsen. In ihrer Kolumne schreibt sie über Kultur, Identitäten und die Frage, was uns verbindet.

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In meiner Kindheit verbrachten wir die Sommer in Bosnien. Beim Spielen im Wald lehrten mich die anderen Kinder, šatrovački zu sprechen. Diese Geheimsprache, so sagt man, haben einst Gauner im Gefängnis erfunden. Heute ist sie unter Kindern und Jugendlichen beliebt. Ich hatte dieses Mosaik aus makedonischen, serbokroatischen, osmanischen und Romani-Wörtern fast vergessen. Ein grundlegendes Wortspiel dieser Spielsprache ist die Vertauschung von Silben. Dizel (Diesel) wird zu zeldi, psiho (Psycho) zu hopsi oder pivo (Bier) zu vopi. Vor Kurzem rief mir mein guter Freund Vedran diese Sprache meiner Kindheit wieder in Erinnerung. Er unterbrach unser Telefonat, um, wie er sagte, sein hepek am Computer anzuschließen. Hepek ist ein altes türkisches Wort, das durch šatrovački wiederbelebt wurde, und bedeutet „Ding“. Vedran meinte damit sein Handy. Für „Ding“ kannte ich bislang nur das Wort stvar, von dem sich die „Wirklichkeit“, stvarnost, ableitet. Šatrovački wird von Generation zu Generation weitergegeben und neu geformt. Vielleicht habe ich meine Liebe zu Sprachspielen den Gaunern auf dem Balkan zu verdanken, die Wörter stibitzten, um aus dem Gefängnis der Wirklichkeit auszubrechen. Wenn ich mich manchmal im Deutschen oder Serbokroatischen unwohl fühle, flüchte auch in meine eigene Keitlichwirk.

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