Den Frieden herbeischweigen

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In der Tradition von Buddha und Mahatma Gandhi stehend, sucht A. T. Ariyaratne nachhaltigen Frieden für das bürgerkriegsgebeutelte Sri Lanka.

Die geistige Einstellung ist die Grundlage von allem. Wenn wir die geistige Einstellung verändern, können wir alles verändern. Aber leider schenken wir unserem Geist viel weniger Aufmerksamkeit als der materiellen Welt oder unserem Körper. Unseren Körper waschen und pflegen und schmücken wir. Und was tun wir mit unserem Geist? Wieviele Minuten pro Tag reinigen wir unseren Geist?"

Wenn A. T. Ariyaratne über Entwicklung und Frieden spricht, dann kommt er unweigerlich auf die persönliche Ebene zu sprechen. Denn Entwicklung muss bei jedem Einzelnen beginnen; die eigene geistige Haltung muss auf Frieden gepolt werden, sagt Ariyaratne, der sich seit mehr als vier Jahrzehnten für ein auf das Wohlergehen von allen ausgerichtetes, alternatives Entwicklungskonzept in seiner Heimat Sri Lanka engagiert. Die von ihm 1958 gegründete Sarvodaya Shramadana Bewegung ist inzwischen zur größten Nichtregierungsorganisation in Sri Lanka herangewachsen und ist heute in die Bemühungen um die Beendigung des Bürgerkriegs in Sri Lanka involviert.

Atmosphäre schafft Frieden

Diesen Krieg auf einen Konflikt zwischen der Mehrheitsbevölkerung der Singhalesen und der Minderheit der Tamilen oder zwischen der jeweiligen Regierung und den Befreiungstigern von Tamil Eeelam (LTTE) zu reduzieren, greift zu kurz. Da ist Ariyaratne einer Meinung mit dem Friedensforscher Johan Galtung, mit dem er anlässlich der Internationalen Akademie für Konfliktlösung kürzlich in Stadtschlaining im Burgenland das Podium teilte. Der von Sarvodaya entworfene "Aktionsplan für den Frieden" warnt vor einem "schlechten Frieden", einem lediglich auf höchster Ebene geschlossenen Vertrag, dessen Haltbarkeit in Zweifel steht, solange keine Friedensatmosphäre geschaffen wird. Der Krieg, so Sarvodaya, wird erst dann wirklich enden, wenn die geistigen, psychologischen, ökonomischen, sozialen und politischen Grundlagen für einen gewalttätigen Konflikt entfernt sind. Dafür aber braucht es die Partizipation aller Betroffenen, insbesondere auch der Zivilbevölkerung.

Für Ariyaratne ist ein Schritt damit fast zwingend: Den Friedensprozess mit Sarvodayas Dorfentwicklungsprogramm zu verbinden. Von der Lehre des Buddha und vom indischen Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi inspiriert, war Ariyaratne 1958 erstmals mit einigen Freiwilligen in ein verfeindetes Dorf gegangen: "Manche Gruppen galten als Unberührbare, und das wollten wir ändern," erzählt Ariyaratne. "Wir gingen ins Dorf, lebten mit den Bewohnern, arbeiteten mit ihnen und erreichten schließlich eine Situation, in der diese Leute nicht mehr als Unberührbare angesehen wurden."

Das klingt so einfach - zu einfach - und doch versichert Ariyaratne: "Das hat immer funktioniert." Seine Methode besteht darin, nicht die Differenzen und Widersprüche zu betonen, sondern bei den Gemeinsamkeiten und menschlichen Grundbedürfnissen anzusetzen. Ein armes Dorf hatte keine Zufahrtsstraße. "Wir gaben unsere Arbeit als Geschenk und machten gemeinsam mit den Dorfbewohnern die Straße. Dazwischen setzten wir uns mit ihnen zusammen. Wir hielten zuerst einige Minuten schweigende Meditation, dann beschlossen wir, zum Wohlergehen aller zu denken, zu sprechen, zu arbeiten."

Widerstand gibt es nach den Erfahrungen Ariyaratnes nur, solange keine Synergie geschaffen wird. Wenn aber mehrere hundert Menschen zusammensitzen, um zu essen, "dann ist es schwierig für die paar Leute, die sich für obere Kasten halten, wegzugehen. Das ist ja eine größere Beleidigung für sie selbst als für die anderen. Also bleiben sie." Die Bewohner des Dorfes hatten schließlich nicht nur eine Zufahrtsstraße. Sie hatten ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit über die Grenzen von Kaste, Klasse und sonstige Zugehörigkeiten hinaus.

Sarvodaya (das Wohlergehen aller) und Shramadana (das Geben von menschlicher Energie): Auf diesen beiden Grundpfeilern ruht die Bewegung, die heute in 15.000 Dörfern tätig ist und vielfältige Programme im Bildungs- und Gesundheitsbereich, mit Mikrokrediten und für die ländliche Infrastruktur durchführt. Entwicklung muss nachhaltig sein und allen zugute kommen. Dem aber steht, laut Ariyaratne, in weiten Teilen Sri Lankas - und der Welt - weiterhin die vergiftete "Psychosphäre" entgegen. "Ari", wie ihn seine Freunde nennen, beschreibt dies mit folgenden Worten: "Was passiert, wenn in diesem Zimmer alle Türen und Fenster luftdicht verschlossen werden und es keine Ventilation gibt? Es gibt nicht genug Sauerstoff, wir werden ohnmächtig und wir werden sterben. Genauso gibt es eine Psychosphäre in unserer Gesellschaft und in der Welt. Doch was geben wir in diese Psychosphäre? Geben wir Sauerstoff? Nein, wir geben Giftgase wie Gier. Sehen wir uns doch die Gier in Individuen an, die Gier der Unternehmen, denen egal ist, was der Umwelt passiert, was den Arbeitern passiert, solange sie nur ihren eigenen Profit steigern können."

"Gier verursacht Leiden"

Gier verursacht Leiden, für einen selbst und für die anderen. Wenn Ariyaratne von Leiden und von der Suche nach dem Glück spricht, von Ignoranz und von Weisheit, dann schöpft er aus den Lehren des Buddha. Doch man muss kein Buddhist sein, um die Philosophie von Sarvodaya teilen zu können, die sich im übrigen als säkulare Bewegung versteht. An den Friedensmeditationen von Sarvodaya beteiligen sich Menschen diverser Religionen. Vor eineinhalb Jahren etwa nahmen 650.000 Menschen aus Sri Lanka und der Welt an solch einer Meditation teil, darunter hohe buddhistische und christliche Kleriker, Hindus, Muslime, Menschen ohne religiöses Bekenntnis. "Alle saßen zusammen, schwiegen und konzentrierten sich auf ihren Atem und auf die Verbreitung von Liebe und Güte. Das führt zu einer Transformation im Bewusstsein der Menschen", sagt Ariyaratne und ergänzt. "Wenn man Frieden schaffen will, müssen wir ihn zuerst in uns selbst schaffen, dann in unserer Gesellschaft und Umwelt, in der Wirtschaft und Politik."

Die Hürden zumal auf nationaler Ebene sind groß. Doch Sarvodaya ist sich sicher, dass die Mehrheit der Sri Lanker Frieden, Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit befürworten. Diese Kräfte gelte es daher zu stärken und Brücken zu bauen zwischen den Angehörigen der diversen religiösen, ethnischen und anderen Gruppen.

Und wie wäre es, wenn A. T. Ariyaratne selbst sich als offizieller Vermittler im bewaffneten Konflikt engagieren würde? "Keine Regierung wird mich einladen als Vermittler, denn sie wissen, ich werde erfolgreich sein. Ich glaube an die mögliche persönliche Transformation jedes Menschen. Wir versuchen es nur nicht, wir versuchen es mit externen, mechanistischen Methoden und bestenfalls mit intellektuellen Methoden. Aber Weisheit ist etwas ganz anderes als Wissen."

Die Autorin ist

freie Journalistin.

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